Unsere Abfahrt zum Flughafen in Teheran verspätet sich, denn eine Mitfahrerin wurde von Sicherheitskräften „aufgegriffen“ und nun festgehalten. Wir warten gespannt im Bus, bis die „Vermisste“ endlich auftaucht, bleich im Gesicht aber unversehrt. Sie hat ein Foto von einem Bild an der ehemaligen US-Botschaft gemacht, was eigentlich nicht verboten ist. Eine Wache hat sie aber entdeckt und die Kamera weggenommen. Erst als alle Bilder – von London bis Teheran – begutachtet waren , durfte sie gehen. Wir starten gleich zum Flughafen.
Wegen der Überflutungen in Pakistan wurde unser Reiseverlauf kurzfristig geändert. Statt nach Karachi fliegen wir nach Amritsar an der indisch-pakistanischen Grenze und „drehen eine Runde“ durch Rajastan, bevor wir auf unseren ursprünglichen Route zurückkehren.
Erschöpft erreichen wir um zwei Uhr morgens unsere Unterkunft in Amritsar. Wir werden schon erwartet: von unseren drei OzBoot´lern, die an der türkischen Riviera in der Sonne badeten, während wir unter unseren Kopftüchern im Iran schwitzen. Die Begrüßung ist herzlich und wird noch lebhafter, als die ersten den Kasten Bier entdecken, den die OzBoot´ler für uns besorgt haben. Eine Woche islamisches Alkoholverbot ist vorüber.
Wir trinken auf der Dachterrasse unser Bier, als gegen vier Uhr morgens die Frage aufkommt: „Sollen wir zum Sonnenaufgang zum Goldenen Tempel?“ Viele Sikh, die zu ihrem höchsten Heiligtum pilgern, nutzen gerade diese Zeit zum Gebet und zum Bad im Heiligen Wasser um den Goldenen Tempel.
Kurz darauf sitzen wir in einem Tuktuk und brausen los. Noch ist es tiefe Nacht. Hier und da bewegt sich ein Schatten, nur von den Feuerchen am Straßenrand erhellt. Der Fahrtwind weht mir ins Gesicht. Kein Kopftuch, kein vollklimatisierter Bus, kein Nobelhotel: Ich bin in Indien!
Das Tuktuk hält an und ich höre diese fremde Musik, laut wie ein Rockkonzert, aber gleichmäßig und beruhigend. Wir sind von ihrem Klang umgeben, ohne ihre Quelle zu kennen. Viele Sikh mit ihren Turbanen sind ebenfalls schon auf den Beinen und wir folgen ihnen; zunächst zur Schuhabgabe, dann durch ein flaches Wasserbecken zur Reinigung der Füße und schließlich durch ein Tor im weißen Gebäude in den Innenhof.
In einem riesigen Wasserbecken leuchtet der Goldene Tempel im nachtblauen Himmel. Die Sikh sinken auf die Knie und verbeugen sich, während ich zur Seite trete, um ihr Gebet nicht stören. Auch hier ist alles erfüllt von Gesang und vollen Klängen, mal wie ein Xylophon, mal wie Trommeln.
Im Uhrzeigersinn umkreisen wir im Strom der Pilger das Wasserbecken. An den Wänden haben sich Familien niedergelassen, die wie wir auf den Sonnenaufgang warten. Andere nehmen das Bad im Heiligen Wasser oder füttern die Fische. Ich halte an und genieße die friedliche Stimmung.
Natürlich fallen wir auf, aber die Sikh beobachten uns genauso interessiert wie wir sie, und wenn sich unsere Blicke kreuzen, müssen alle lachen. Immer wieder überwindet sich einer der Betrachter und kommt näher : „Where are you from?“ Sogleich ist der Bann gebrochen und wir sind umringt von Sikh – jungen und alten, Frauen und Männer, im Sari oder in Turnschuhen. Die meisten wollen ein Foto von uns, am besten mit sich selbst. Kaum klickt die Kamera, tauschen wir die Rollen. Auch wir wollen Fotos.
Schließlich geht die Sonne auf und taucht den Innenhof in Weiß und Gold. Wir sitzen stumm am Wasserbecken, jeder in seinen eigenen Gedanken.
Foto: Isabelle Hiestand
OzBus Reporter
Isabelle Hiestand unterwegs mit dem OzBus von London nach Sydney. Sie berichtet täglich aus dem OzBus.
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