Um 4 Uhr klingelt der Wecker. Ich schlüpfe leise aus dem Bett, packe meine Fototasche und schleiche aus dem Zimmer. Nur eine Handvoll OzBusler hat sich in der Eingangshalle versammelt, um den Sonnenaufgang über dem Annapurna-Massiv im Himalaya vom Berg Sarang Kot aus zu betrachten. Noch ist es draußen stockdunkel, aber der Morgen kommt hier schnell und wir drängen, endlich loszufahren. Unsere Reiseleiterin glaubt noch immer, dass Nachzügler kommen und raucht noch eine Zigarette, ehe sie zu uns in den Bus steigt.
Wir kurven durch Pokhara, biegen in ein Seitental. Der Motor röhrt, die Straße steigt an. Im Scheinwerferlicht erkenne ich Gestalten, die schwer beladen am Straßenrand den Berg hochsteigen. Eine Kurve nach der anderen umkreist der Busfahrer, Taxis überholen uns. Im ersten Morgengrau tanzen überall Scheinwerfer am Bergrücken. Ich schaue auf die Uhr: schon fünf.
Plötzlich hält der Bus: Stau! Mitten auf einem Berg!? Der Busfahrer öffnet die Tür und lässt uns aussteigen. Hinter uns färbt sich der Himmel langsam gelb. Ich haste los, unsere Gruppe verliert sich sofort in einem Pilgerzug von Sonnenaufgangsanbetern. So schnell wie möglich nach oben. Durch die Blechlawine angestauter Autos haste ich vorwärts. Eine Kurve führt zur nächsten, ein Stand preist Getränke und rote Plastikstühle an: „Best view her!“ Aber der Gipfel ist noch weit.
Einige Besucher haben sich schon einen Platz gesichert, andere sprinten die Steinstufen zum Aussichtspunkt hoch oder bleiben zurück. Der Himmel ist taubenblau, aber die Sonne versteckt sich noch. Ich bin allein. Von unten hör ich das Hupen, von oben das Raunen der Masse auf der Aussichtsplattform. Was tun? Ich biege ab und nehme einen Pfad , der auf die Ostflanke führt. Kurz vor einer Kehre lichten sich die Bäume, und ich blicke zum ersten Mal auf den „Fishtail“ und die Berge des Annapurnas.
Ein älteres holländisches Pärchen hat sich auch hierher gerettet. Wir lächeln uns zu und betrachten das Farbenspiel des Himmels, bevor die Sonne wie ein Smaragd über die fernen Berge steigt und den Nebel streichelt. Ihre Strahlen tasten sich zu den schneebedeckten Gipfeln vor und wandeln das Grau in glitzerndes Silber.
Foto: Isabelle Hiestand
OzBus Reporter
Isabelle Hiestand unterwegs mit dem OzBus von London nach Sydney. Sie berichtet täglich aus dem OzBus.
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