Australiens günstige demographische Situation
Noch in Deutschland hatte ich mich, beeinflusst durch unsere vielen Reisen zum roten Kontinent, und dem objektiven Fakt, dass die Lebensbedingungen der Aussies offensichtlich günstiger als die der Deutschen sind, dass bei uns die Geburtszahlen zurück gehen, in Down under aber zunehmen, mit der Demographie beider Länder beschäftigt. Für eine Statistiker ein sehr interessantes Thema.
Die Erhaltung der einfachen Reproduktion ist für jedes Industrieland ein wichtiger Indikator über seine gesunde und zukunftssichere Bevölkerungsstruktur. Einfache Reproduktion heißt, dass sich in einem Volk Geburten und Todesfälle gegenseitig aufheben. So kann die Zahl der Einwohner konstant gehalten werden. Ein Verhältnis, das sich seit Jahren in fast allen Industrieländern ungünstig entwickelt. Die Todesfälle überwiegen die Geburten. Eine gesunde Bevölkerungsstruktur zeigt sich in einer echten Pyramide. Mit einer breiten Basis von Neugeborenen und eine sich noch oben hin linear bildende Spitze der älteren Einwohner. Dazu müsste heute in Deutschland jede fertile Frau (zwischen 18 und 35 Jahren) statistisch 2,1 Kinder zur Welt bringen.
Die jährliche Bevölkerungszunahme in Deutschland wird von 2000 zu 2010 „0 (Null!!!)%“ betragen. Dann sagt die Prognose einen jährlichen Rückgang der deutschen Einwohner von 0,4 % bis 2025 voraus. Die Wurzeln liegen aber weit zurück. Deutschland hatte schon zwischen 1950 bis 1960 nur eine jährliche Bevölkerungszunahme von 0,6 %. Die immer breiter werdende Mitte der „Pyramide“(30 bis 59 Jahre), die zunehmend höhere Lebenserwartung der Menschen und die Zunahme an Schwangerschaftsabbrüchen und der objektive Rückgang der Geburten (schmale Basis 0 bis 29 Jahre)) sind Ausdruck der konzentrierten Industrialisierung, dem Wunsch der Menschen nach mehr Flexibilität durch die Globalisierung, einem neuen „Fun“ Lebensgefühl, in dem für nur einem Kind erst nach dem 35.Lebensjahr Platz ist, einer völlig verfehlten Familienpolitik, die die Mutter bestraft und nicht unterstützt.
Mit der Angliederung der ehemaligen DDR an die Bundesrepublik Deutschland (von einer Wiedervereinigung wage ich nicht zu sprechen) kam es in den Ostländern zu einen rapiden Geburtenrückgang, der bis 1993 anhielt. Damals befragte mich eine große Boulevardzeitung, ob jetzt wieder ein Babyboom in Deutschland zu erwarten sei. Und meine Meinung, dass dieser vorübergehende Anstieg für vielleicht zwei Jahre nichts am generellen Geburtenrückgang ändert, sondern seine Ursache in der wirtschaftlichen Verunsicherung der ehemaligen DDR Bürger hatte, passte sichtlich nicht in die Intentionen des Leitartikels. Die Reporterin meinte, dass man derartige „menschenfeindliche“ Äußerungen nicht drucken könne. Die Jahre haben mir Recht gegeben.
Schauen sie doch auf die ehemalige Pyramide von Deutschland 2005 und vergleichen sie, wie es in 20 Jahren in unserem Land aussehen wird. Das ist keine Pyramide mehr. Das ist eine Urne geworden. Eine Urne, an der auch die vielen familien- und frauenfeindlichen Maßnahmen unserer Politiker mitgebaut haben. Birne nennen einige Analysten diese Form auch. Und der Trend zur umgekehrten Pyramide ist doch schon erkennbar. Deutschland wird innerhalb dieser 20 Jahre von 82,431 Millionen Einwohnern auf eine Einwohnerzahl von 80,837 Millionen zurückgehen. Andere Analysten erwarten sogar einen Rückgang auf etwa 79 Millionen Bürger.
In einem werden wir aber in Deutschland bald australische Verhältnisse haben.
Bis 2020 sehen die amtlichen Statistiker die bundesdeutsche Bevölkerung nur wenig schrumpfen, von 82,2 auf 81,5 Millionen. Aber mehr als 57 Millionen von ihnen werden auf der Suche nach Jobs, günstigen Immobilien oder einem Partner ihre Heimat verlassen und sich woanders ansiedeln. Sei es nun innerhalb oder außerhalb von Deutschland.
Das war schon immer eine der Vorzüge der Arbeitnehmer von Down under. Man zog zu den Arbeitsplätzen. So könnten in Ostdeutschland 2020 nur noch 12 Millionen Menschen leben. Über die erheblichen Einschnitte in der Infrastruktur sollten sich deutsche Politiker in ähnlichen Gebieten Australiens informieren. Schlimmer noch. „Ostdeutschland ist ein Blick in die Zukunft“, sagt Europa-Stratege Stephan Kunze von der niederländischen ABN-Amro-Bank. „Der demographische Niedergang Europas ist Fakt.“ Die Konzerne wissen nur allzu gut, dass Konsum meist von jüngeren Menschen getragen wird. In Indien und Mexiko finden sich interessante Anlagemöglichkeiten, aber auch in den USA. Wenig Staat ist dagegen langfristig mit Europa zu machen!
Die wirklichen Probleme der Alterssicherung für Deutschland entstehen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen wollen. Geburtenstärkster Jahrgang war der Jahrgang 1964. Die Kinder von damals kommen nach 2020 ins Rentenalter
Dass die Weltbevölkerung jährlich um 94 Millionen Menschen zunimmt, liegt an den hohen Geburtenraten in der dritten Welt.
Das ist in Australien etwas anders. Im Abschnitt „Wirtschaftmacht Australien“ habe ich die Bemühungen des australischen Staates in der Vergangenheit, Menschen für ein Leben in Down under zu gewinnen, erwähnt.
So hat sich seit 1929, wo bedingt durch die Arbeitslosigkeit während der „großen Depression“ erstmals mehr Menschen aus Australien auswanderten als Einwanderer kamen, allmählich ein gesundes Verhältnis in der Zunahme der Bevölkerung entwickelt. Zwar ist der Slogan der Ben Chifley Administration (Populate or perish) nicht mehr aktuell. Aber gesuchte Fachleute oder Menschen mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit sind jederzeit willkommen.
Die Zahlen der Bevölkerungsstatistik sind deutlich günstiger als die in Deutschland. Die jährliche Bevölkerungszunahme lag zwischen 1960 und 1970 bei 2,3%! Und zwischen 2000 und 2003 bei 1,3% pro Jahr.
Jahr Einwohner (in Mill.)
1851 0,4
1905 4,0
1818 5,0
1939 7,0
1949 8,0
1959 10,0
1978 14,0
1986 16,0
2003 20,0
Zurzeit liegt der Bevölkerungszugang bei 1,1 % /Jahr. Am 1. Dezember 2005 lebten in Down under 20.090.437 Menschen. Die Prognose, dass das Bevölkerungswachstum 2005 auf 0,1% zurückgeht hat sich nicht bewahrheitet. Die Geburtenrate betrug 12,26 Geburten/1000 Einwohner. Dem steht eine Sterberate von 7,44 Todesfällen/1000 Einwohner gegenüber. Eine absolute positive Überschreitung der notwendigen Zahl für die Erhaltung der Rate der einfachen Reproduktion der Bevölkerung.
Demzufolge sieht die Bevölkerungspyramide Australiens auch bedeutend sympathischer aus als die von Deutschland. Eine noch breite Basis, eine gute, der Basis angepasste Mitte und eine schmalere Spitze als die Basis in 2005. Die erhöhte Lebenserwartung der heute noch breiten Mitte bedingt die Verbreiterung der Spitze 2025. Doch die Basis würde die einfache Reproduktion der Bevölkerung immer noch garantieren. 92,5% Weiße, je 2,5% Asiaten und Ureinwohner, dazu noch 2% aus den verschiedensten Lebenskreisen, so setzen sich die ethnischen Gruppen zusammen. Vorsichtig schätzen die Analysten den jährlichen Bevölkerungszuwachs in Down under bis 2010 auf 0,9%. Somit werden 2025 in Australien 23.023.000 Menschen leben. Und sie werden auch länger leben als die Deutschen. Bei den Männern besteht 2005 eine durchschnittliche Lebenserwartung von 77,52 Jahren (Deutschland 75,4 Jahre). Und bei den Frauen liegen die Zahlen bei 83,4 zu 81,2 Jahre. Das ergibt eine durchschnittliche Gesamtlebenserwartung der Bevölkerung von 80,39 Jahren.
Schon immer stand die australische Einwanderungspolitik im öffentlichen Interesse. Die Zeiten, wo Australien Bewohner brauchte und fast jeden Weißen nahm, sind vorbei. Immerhin siedelten sich seit 1945 5,5 Millionen Menschen neu an. Und im gleichen Zeitraum nahm der Kontinent 500 Tausend Flüchtlinge oder Vertriebene auf. Im Gegensatz zu Deutschland hatte die australische Regierung den Mut, ab 2001 Boote mit Asylsuchenden zurückzuschicken, Flüchtlinge bis zur Klärung der Asylfrage in umliegende Länder zu bringen (pazifische Lösung) und bereits in Australien befindliche Asylanten in nicht gerade komfortablen Lagern unterzubringen. Heute gelingt es Asylsuchenden kaum noch, unkontrolliert nach Oz zu gelangen. Australien nimmt im Übrigen weiterhin, neben den sonstigen Einwanderern, rund 12.000 Flüchtlinge pro Jahr in einem geordneten Verfahren in Zusammenarbeit mit dem UNHCR (Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen) auf.
Nicht vergessen darf man, dass die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die Kostensteigerungen auch Reformen im Gesundheitswesen und in der Altersversorgung erforderlich machen. Vielleicht liegt es daran, weil es nur eine Krankenkasse gibt, vielleicht, dass die Aussies, auch durch die Sonne anspruchloser sind, vielleicht auch, weil die Politiker mehr Kontakt zur Basis halten.
Eigentlich haben wir in Oz kaum ältere Menschen getroffen, die in Sorge um ihr Altenteil leben oder klagen. Und das trotz der Diskussionen über zunehmende Selbstbeteiligungen.
Die Diskussion über die Bedeutung der Demographie in den Industrieländern wird durch die Globalisierung, durch eine totale Änderung des Profils der Arbeitsmärkte, durch die veränderte altermässige und ethnische Zusammensetzung der Gesellschaft stark einen Wandel unterzogen werden.
Aber Australien hat bei diesem Strukturwandel wieder einmal gute Voraussetzungen für einen Erhalt. Und diesmal ist es nicht der Inselcharakter des Kontinents, der die einzigartige Flora und Fauna bedingte.
Dieter Tischendorf