Wirtschaftliche Entwicklung

Für fast 100 Jahre, nämlich seit der First Fleet in Jahre 1788 bis 1886, war Australia für Großbritannien lediglich ein „Wegschließbereich“ für unerwünschte Bürger. 164 Tausend Sträflinge wurden in dieser Zeit nach Down under geschickt. Ziemlich schnell setzte sich aber die Erkenntnis des ersten Gouverneurs Arthur Phillip durch, dass nur die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Produktion Engpässe in der Lebensmittelbereitstellung lösen könne. Die wenigen Siedler, die freiwillig in dem südlichen Land ein neues Leben beginnen wollten, hatten mit unsagbaren Schwierigkeiten zu kämpfen. Seit 1793 wurde dann ganz offiziell für die Neuansiedlung in Australien geworben. Zu dieser Zeit entschloss sich auch Hauptmann McArthur, ein Farmer zu werden. Noch mit Förderung von Phillip führte er das Merinoschaf in Australien ein. Eine kluge und voraussehende Maßnahmen, denn bereits 1803 liefert Australien erstmals eigene Erzeugnisse (Wolle) ins Mutterland. Das war der kleine Beginn einer eigenen Wirtschaft, der vom Gouverneur Macquarie ab 1809 vehement weiter gefördert wurde. Trotzdem gab es für Australien die gleichen unerträglichen Zwangszölle und wirtschaftlichen Beschränkungen, die schon in Nordamerika mit Anlass für die Befreiungskriege waren. Und sowohl den freien Siedlern, als auch den sich niedergelassenen entlasse-nen Sträflingen blieb nicht viel vom Ergebnis der harten Arbeit.

Die Jahre 1813 bis 1886 sind geprägt von der Erforschung des Kontinents und der Erkenntnis, dass es sich um ein Land mit 70% Wüste handelt. Die wichtigsten der Forscher habe ich im „Und immer weiter zur Sonne“ ab Seite 490 schon gewürdigt. Diese Männer waren keine Abenteurer oder Glücksritter schlechthin. Sie erfüllten die wichtige Funktion der Erkundung des Kontinents. Wo befindet sich landwirtschaftlich nutzbares Land? Wo könnten abbaubare Bodenschätze sein? Welche Möglichkeiten bietet die Landschaft für die Erreichbarkeit des Landesinneren? Wie sollten Transportwege gebaut werden? Wichtige drängende Fragen, deren Beantwortung die Besiedlung ermöglichte und somit letztlich sogar zur Selbstständigkeit der Strafkolonie und zur Bildung auch anderer Territorien neben New South Wales führte. Diese kolonialen Verwaltungen imitierten aber das „große Vorbild" Großbritannien. Mit dem Erfolg, dass Großbritannien einer eigenen Verfassung für die ehemalige Kolonie zustimmte. Und mit dem Desaster, dass man den damals 400 Tausend Einwohnern von Australien die Zahlungsunfähigkeit der Verwaltung erklären mußte.
Wie so oft in der Geschichte von Down under half auch diesmal das Schicksal. 1851 verbreitet sich die Kunde von leicht abbaubaren Gold weltweit. Und ein Ansturm sondergleichen erreicht Australien. Innerhalb von neun Jahren verdreifachte sich die Einwohnerzahl auf 1,2 Millionen. Plötzlich wurden auch die Verwaltungen durch die Lizenzgebühren für Goldgräber wieder wohlhabend. Und alle, Handwerker, Händler, Gewerbetreibende, Gastwirte profitierten von der Goldgier der Glücksritter. Da viele der Goldsucher erfolglos blieben und verzweifelt nach einem Broterwerb suchten, gab es plötzlich auch keinen Arbeitskräftemangel mehr für den Straßenbau oder aber auch bei unbeliebten Lohnarbeitern, wie zum Beispiel im Kohleabbau. So waren die reichen Kohlevorkommen in den Blue Mountains schon seit 1841 bekannt. Doch erst 1878 begann der Abbau. Und Kohle ist heute noch ein imponierender Posten von 30% im australischen Rohstoff-export.
Die verschiedenen Länder des Kontinents versuchten in bürokratischer Überheblichkeit alle einen eigenen Profilierungsweg. Mit der Folge, dass es in Australien bald mehrere unterschiedliche Postwesen, ein von Territorium zu Territorium völlig unterschiedliches Steuersystem, ja sogar drei Eisenbahnnetze mit verschieden breiten Schienen gab.

Nicht zuletzt diese Hemmschuhe für die Entwicklung des Handels, der Industrie und der Besiedlung, ließen den fünfmaligen Premierminister von NSW Henry Parkes unermüdlich für die Gründung einer Föderation auf jeder Ebene des politischen und wirtschaftlichen Lebens, gegen Rivalitäten der Kolonien, gegen falschen regionalen Patriotismus, kämpfen. Und dann war es vollbracht.
Am 1. Januar 1901 erklärt Gouverneur Lord Hopetoun bei einer feierlichen Zeremonie im Sydney Centennial Park Australien zum "Federal Commonwealth of Australia". Die Gründung des „Australischen Bundes“ aus den britischen Kolonien New South Wales, Victoria, Queensland, Western Australia, South Australia und Tasmanien ist perfekt. Die an den Vorbildern USA und Großbritannien orientierte Verfassung ist für die damalige Zeit außergewöhnlich liberal, enthält u.a. das seit 1892 schon in SA festgeschriebene Wahlrecht für Frauen. Die Aborigines blieben rechtlos. In den 128 Paragraphen werden die Ureinwohner nur zwei Mal erwähnt.
Offizielles Staatsoberhaupt der parlamentarischen Monarchie (Zwei-Kammer-Parlament) ist natürlich weiterhin die britische Königin Victoria. Die britische Krone wird durch einen von ihr ernannten Generalgouverneur vertreten. Melbourne wird zunächst Hauptstadt. 3,7 Mio. Einwohner wählen das erste Parlament. Der erster Premierminister heißt Edmund Barton.

Die sechs Bundesstaaten mit eigenen Regierungen und Gouverneuren bekommen innenpolitische Unabhängigkeit.
Aber so richtige Bedeutung hatten nur Schaf- und Rinderzucht, Mais –und Weizenanbau, Weinherstellung und natürlich die Zuckerrohrplantagen in Queensland. Ein zunehmender Industriezweig wurde der Fischfang und die sich daran anschließende verarbeitende Industrie, der aber mit einer hohen Liquidationsrate behaftet war.
Allerdings ließen bestimmte populäre Maßnahmen der Regierung, wie 1908 die Einführung der gesetzlichen Altersversorgung, die Mindestlohnregelung und der Acht Stunden Arbeitstag als Ergebnis der Auseinandersetzungen mit den 68 Tausend Mitgliedern der 198 Gewerkschaften, international schon aufhorchen.
Trotzdem erreichte das große Land mit der geringen Einwohnerzahl von 4 Millionen zwischen 1900 und 1914 große Fortschritte in der Entwicklung der Landwirtschaft und bei den Produktionskapazitäten. Die Schaffung von Regierungsinstitutionen und sozialen Einrichtungen wurden deutlich verbessert.
Dann kam der 1. Weltkrieg! Fast 400.000 der knapp drei Millionen männlichen Einwohner meldeten sich freiwillig zum Kriegseinsatz. 60.000 kamen nicht zurück. Zehntausende wurden verwundet, viele von ihnen schwer. Aus den Kriegsjahren sind einige bedeutende Traditionen der Australier hervorgegangen. Keine gilt im australischen Ethos als so herausragend und wird so hoch geschätzt wie die Tradition des "Anzac" (Australisches und neuseeländischen Armeecorps), die 1915 in Gallipoli in der Türkei entstand, als die Anzac Truppen, bedingt durch eine unfähige britische Generalität, von den Türken aufgerieben wurden. Daran erinnert jeden 25. April der Anzac Day. Heute ein nationaler Gedenktag für die australischen Opfer aller Kriege, in denen Australier gekämpft haben. Und viele Australier meinen, das nicht der 2. Januar 1901 der Gründungstag der Nation sei, sondern der blutige 25. April 1915!

Zwischen 1815 und 1930 haben 52 Millionen Europäer ihre Heimat verlassen. Aber nur 3,5 Millionen Menschen versuchten einen Neustart in Australien. Das war nach dem 1. Weltkrieg durch die desolate Lage der Wirtschaft auch erschwert. Unsicherheit der Arbeitsplätze, die Existenzangst führte zum Beispiel 1917 in Sydney zu einem Generalstreik, an dem sich 97 Tausend Eisenbahn- und Tram Angestellte beteiligten. Die Weltwirtschaftkrise, in Australien vornehm als große Depression bezeichnet, deutete sich schon an. Noch mal eine kurze Atempause, nachdem der damalige Premierminister William Hughes in „grobschlächtiger“ Verhandlungsweise in Versailles die volle Rückerstattung der Kriegskosten, die sofortige Gefangenenrückführung und die Zuordnung von Papua Neuguinea zu Australien erreichte. (Neuguinea wurde immerhin bis 1975 von Canberra regiert). Der australische Staat schuf durch eine partielle Landenteignung großer Farmen kostenlose Möglichkeiten für Besiedlung durch Kriegsheimkehrer. In diese Zeit sind besonders viele Italiener nach Down under emigriert. Aber es kam zunehmend zu einem internen Missverhältnis. Viele Kreditinstitute gingen in Konkurs. Den Menschen mit Unternehmungsabsichten fehlte das nötige Geld für Investitionen, das Außenhandelsdefizit führte zu einer Überschwemmung des australischen Marktes mit teueren Waren des täglichen Lebens aus Europa. Und die Konflikte in der Gesellschaft führten zu deren Spaltung. Zwar erkämpften die Gewerkschaften 1920 den 8 Stunden Arbeitstag. Aber was nutzte der, wenn es keine Arbeit gab? Streiks, wie der „Waterside Workers Strike“ 1928, der „Beef marsh“ 1931 waren Ausdruck der Not der Bevölkerung, die damals etwa 6 Millionen betrug. Als zwei Tage vor dem „Schwarzen Freitag“ (Börsencrash an der Wallstreet 24.10.1929) in Australien die Labour Party die Regierungsgeschäfte übernahm, war die erste Information an die Bevölkerung „Die Staatskassen sind leer!“
Für Australien bedeutete die Weltwirtschaftskrise ein nationales Debakel. Erstmals war die Zahl der Auswanderer größer als die der Einwanderer. Der Export ging gegen Null. Die Preise für Wolle und Weizen, zwei Standbeine der australischen Ausfuhr, fielen auf einen historischen Tiefstand. Und Australien verzeichnete schon 1929 25% Arbeitslose. In Südaustralien waren 50 % der erwerbsfähigen Männer ohne Arbeit.

Von diesem Tiefpunkt erholte sich das Land nur langsam. Und kleine lokale wirtschaftliche Erfolge besserten die Lage kaum.
So paradox es klingt. Der Beginn des 2. Weltkrieges mit der Zunahme der Rüstungsindustrie besserte kurzzeitig die wirtschaftliche Lage. Dann aber brachten die hohen Kriegssteuern, die Rationierung der Waren, die Bedrohung des Landes durch die Japaner wieder wirtschaftliche Schwierigkeiten. Niemals haben die Australier den Briten verziehen, dass sie im Mittelmeer kämpfen mussten anstatt ihre Heimat gegen die drohende japanische Invasion zu verteidigen. Das taten die Amerikaner. Die Niederlage der Japaner in der Schlacht am Korallenmeer beendete deren Invasionspläne. Und die Australier lernten, wie vorteilhaft die außenpolitische und wirtschaftliche Orientierung zu Amerika für ihr Land wurde. Und auch wie wichtig der Kontakt und die Handelsbeziehungen mit den Nachbarstaaten sind, dass eine multikulturelle Orientierung in der Einwanderungspolitik dem Lande nur zum Vorteil gereichen kann. Der damalige Premierminister Ben Chifley gab mit der populistischen Parole „Populate or Perish“ (Bevölkern oder Sterben) den Weg frei zu einer starken Zunahme der Immigranten. 200 Tausend Einwanderer waren es zwischen 1948 und 1952. Bis 1970 sollten 2,5 Millionen Menschen, darunter mehrere 100 Tausend Asiaten seit Ende des 2. Weltkriegs in Australien eine neue Heimat finden.
Und, da die Australier zweifelsohne am Sieg der Alliierten in Europa, Asien und im Pazifik beitrugen, entstand auch ein neues stolzes Nationalbewusstsein. Zumal viele Frauen, die während der beiden Kriege in Fabriken und auf Farmen überhaupt erst die Fortführung der Produktion ermöglichten, jetzt weiter arbeiten konnten und so zum beginnenden Wohlstand in den Familien auch finanziell beitrugen.

Trotzdem bekamen die Australier auch die Probleme der Rationalisierung der Arbeit zu spüren. Trotz Steigerung in der Weizenproduktion, trotz neuer Rekorde im Wollexport wurden immer weniger Arbeitskräfte auf den Farmen benötig. Dafür nahm der Anteil der verarbeitenden Industrie zu. Und Großprojekte zur Erschließung der Bodenschätze (wie Kohle, Erdöl, Erdgas, Eisenerz,  Gold, Kupfer, Nickel und Salz) sollten nicht nur den eigenen Bedarf decken, sondern auch zu Exportschlagern werden. Große staatlich geplante und finanzierte Objekte dienten der Verbesserung der Infrastruktur. Das Snowy Mountains Scheme (S.757 „Und immer weiter zur Sonne“), wo von 1950 bis 1974 über 100.000 Menschen aus über 30 Ländern eine ingenieurtechnische Großtat in die Realität umsetzten, steht als Beispiel für eine Vielzahl solcher Projekte, die natürlich auch gute Arbeitsplätze boten und die Infrastruktur der Baugebiete nachhaltig beeinflussten.

Dieter Tischendorf, ditido

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